Logo-Entwurf von Maren Kraemer.

FoodRun - Run for Your Health!

Studien zeigen, dass ein beunruhigend großer Anteil der Jugendlichen übergewichtig, ein nicht zu verachtender Prozentsatz sogar adipös ist (vgl. Kurth & Rosario 2007). Die Vielzahl an gesundheitlichen Folgeerkrankungen stellt vor allem in so jungem Alter eine Gefahr dar. Während die Wissenschaft noch keine ausreichenden Ergebnisse zum langfristigen Erfolg von sog. Games for Health vorweisen kann (vgl. Weihrauch-Blüher et al. 2016), zeigen einige Ernährungsspiele doch zumindest eine Wirkung im Bewusstsein um (gesundes) Ernährungsverhalten (Orji et al. 2013). Leider weisen viele dieser Spiele und Apps qualitative Mängel auf, sowohl in Bezug auf die bereitgestellten Informationen, als auch auf die Strategien der Veränderung des Ernährungsverhaltens (vgl. Schoeppe et al. 2017).

Das im Seminar „Games for Health“ erstellte Spiel FoodRun knüpft an dieser Stelle an. Basierend auf einer kleinen Auswahl an Behaviour Change Techniques (BCTs) erstellte unsere Gruppe, bestehend aus jeweils zwei Studierenden der Medienwissenschaft und der Psychologie, ein Konzept für ein Spiel, das sowohl qualitativ hochwertig als auch ansprechend für unsere Zielgruppe sein sollte.

Was ist FoodRun?

FoodRun ist ein Spiel für das Smartphone, das ein Gefühl für gesunde und ungesunde Ernährung vermitteln soll. Der/die Spieler*in sammelt mit einem Avatar verschiedene Lebensmittel ein, bekommt mögliche Auswirkungen bildlich dargestellt und erhält Informationen zu den Inhaltsstoffen der Nahrungsmittel.

Zielgruppe

Unsere Zielgruppe bezieht sich auf die in der oben genannten Studie (Kurth & Rosario 2007) untersuchte Auswahl an 14-17-Jährigen. Wir haben uns aus mehreren Gründen dazu entschieden, unsere Zielgruppe im mitteleuropäischen Raum anzusiedeln: zum einen ist uns der hiesige Nahrungsmittelkonsum hinreichend bekannt, wodurch wir in der Lage sind, eine ansprechende Auswahl an populären Lebensmitteln zu treffen. Weiterhin hat man im mitteleuropäischen Raum einen schier unerschöpflichen Zugriff auf Lebensmittel aus anderen Ländern, was es uns ermöglicht, mit exotischen Nahrungsmitteln das Spiel für längere Zeit interessant zu halten. Und schließlich stellt natürlich auch in Europa die durchschnittliche Gewichtszunahme der Bevölkerung ein schwerwiegendes Problem dar.

Unsere Spieler*innen müssen ein Smartphone besitzen und sollten auch im Umgang damit geübt sein. Die Sprache des Spiels ist vor allem für die Jüngeren einfach und verständlich gehalten. Wir setzen jedoch voraus, dass ein gewisses Grundverständnis vorhanden ist; so sollten die Jugendlichen schon einmal Begriffe wie Vitamine oder Proteine gehört haben. Weiterhin sollte ein grundsätzliches Interesse an (gesunder) Ernährung bestehen, wenn auch nicht zwingend der Wunsch zur Ernährungsumstellung vorliegen muss.

Dispositiv und Spielmechanik

Wie oben bereits angesprochen, handelt es sich bei unserem Spiel um eine App fürs Smartphone. Dies soll, in Kombination mit kurzen Runden, für mehr Mobilität sorgen und es dem/der Spieler*in ermöglichen, überall zu spielen. Dazu trägt auch die einhändige Bedienung bei, sodass man sich gleichzeitig z.B. im Bus festhalten kann. Die Grafik ist eher comichaft angedacht, um die Spielelemente besser erkennbar zu machen.

Avatar-Sketch, gezeichnet von Maren Kraemer.

Das Spiel startet mit der Einblendung eines „Role Models“, in unserer Entwicklungsphase auch  „Quarterback“ getauft. Es handelt sich dabei um eine freundliche Person mit gesundem Körperbau, deren Zweck es ist, den/die Spieler*in zusätzlich zu gesunder Ernährung zu ermutigen. Das Role Model stellt sich an dieser Stelle kurz vor und fordert den/die Spieler*in dann auf, einen Avatar zu erstellen. Dieser bietet eine große Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten, damit sich der/die Spieler*in so weit wie nur möglich mit ihm identifizieren kann. Dies schärft das Bewusstsein um Ernährung, da der Avatar je nach „Ernährung“ im Spiel auch sein Gewicht verändert.


Bildschirm-Sketch, gezeichnet von Milena Becker.

Nach Erstellung des Avatars erklärt das Role Model die Spielmechanik: die Spielfigur läuft auf drei Bahnen, während ihr Lebensmittel entgegen kommen. Das kann nur eines auf einer Bahn sein, allerdings auch zwei oder drei in einer Reihe. Der/die Spieler*in muss sich nun entscheiden, ob er/sie das Lebensmittel durch Darüberlaufen einsammeln will, ob er/sie springt oder auf eine andere Bahn ausweicht. Dies geschieht durch Wischbewegungen nach oben oder nach links bzw. rechts. Beim Einsammeln bekommt der/die Spieler*in ein kurzes, direktes Feedback zur „Gesundheit“ des Nahrungsmittels in Form eines Pfeils nach oben oder unten. Weiterhin wird das zuletzt eingesammelte Lebensmittel und dessen Auswirkung oben eingeblendet. Der Übersichtlichkeit halber wollen wir maximal zehn verschiedene Lebensmittel in einem Level haben.

Wir haben uns bewusst dazu entschieden, keinen symbolischen Tod der Spielfigur als Ende der Runde festzulegen, da dies die Moral und den Sinn eines Gesundheitsspiels untergraben würde. Stattdessen haben wir uns zwei Modi überlegt: im ersten Modus haben wir eine Strecke von ca. 40 Lebensmitteln hintereinander festgesetzt. Das gesamte Level enthält natürlich mehr Lebensmittel, wenn diese nicht nur hinter-, sondern auch nebeneinander auftreten. Dabei begegnet der/die Spieler*in ungefähr 15 Lebensmitteln pro Minute. Diese Zahl haben wir selbst anhand der Hindernisse in Temple Run ermessen, um einschätzen zu können, welche Anzahl an Hindernissen als angenehm empfunden werden kann. An der Seite des Bildschirms wird ein Balken eingeblendet, die Gesundheitsskala. Diese nimmt mit gesunden Lebensmitteln zu und mit ungesunden ab. Der Smiley stellt die Stimmung des Avatars dar. Wir wollen ungesunde Lebensmittel nicht von Grund auf verteufeln, sondern diese in das Bewusstsein unserer Spieler*innen mit einbeziehen. Daher geben z.B. Süßigkeiten ein Plus auf die Stimmung, aber ein Minus auf die Gesundheit. Auch abwechslungsreiche Ernährung wollen wir fördern, indem zu viele gleiche Lebensmittel hintereinander ebenfalls ein Minus auf die Stimmung geben, wohingegen Kombos durch „buntes“ Essen Zusatzpunkte geben. Die Lebensmittel haben jedoch noch eine weitere Eigenschaft: so geben Süßigkeiten einen Zuckerschock, der die Figur schneller, aber nach einer kurzen Zeit bedeutend langsamer macht. Aufrechterhalten der bunten Kombos führt hingegen zu einer stetigen Steigerung der Geschwindigkeit. Am Ende werden die Gesundheits- und Stimmungspunkte mit der benötigten Zeit und den Kombopunkten verrechnet und geben eine Gesamtpunktzahl für die Runde.

Der zweite Modus als eine Art „Spaßmodus“ lässt die Spielfigur unbegrenzt lange laufen, bis der/die Spieler*in sich entscheidet, das Level zu beenden. Hier werden ebenfalls Gesundheits- und Stimmungspunkte verrechnet, allerdings mit der in der benötigten Zeit zurückgelegten Strecke.

Nach dem Level wird noch eine Infoseite eingeblendet, auf dem der/die Spieler*in die genauen Inhaltsstoffe der von ihm/ihr eingesammelten Nahrungsmittel einsehen kann. In anderen Runden eingesammelte Lebensmittel können in einem Logbuch über das Hauptmenü nachgeschlagen werden. Wir hatten an dieser Stelle ursprünglich noch eine Reihe an Rezeptvorschlägen eingeplant, aber mit der Eingrenzung unserer Zielgruppe entschieden, dass dies für 14-17-Jährige noch nicht besonders interessant ist.

Mit einer bestimmten Punktzahl und Achievements können dann weitere Lebensmittel oder Gestaltungsmöglichkeiten für den Avatar freigeschaltet werden. Außerdem soll es die Möglichkeit geben, Avatar, freigeschaltete Lebensmittel und Highscores auf sozialen Netzwerken zu teilen.

Bei jedem folgenden Starten der App erscheint zuerst das Role Model, das die letzten Spielrunden noch einmal kommentiert und bei gesunder „Ernährung“ weiter ermutigt bzw. bei ungesunder darauf verweist. Außerdem kann das Role Model Tipps geben, zum Beispiel welche Lebensmittel den besten Boost geben oder welche man direkt hintereinander vermeiden sollte.


BCTs

Der Begriff BCT stammt aus der Psychologie und steht für Behaviour Change Technique(s). Wie der Name bereits anklingen lässt, handelt es sich hierbei um verschiedene Arten, eine Verhaltensänderung hervorzurufen. Michie et al. (2015) haben diese in verschiedene Gruppen kategorisiert. Wir haben in unser Spiel die folgenden BCTs eingebaut:

4.1 Instruction on how to perform a behavior / skills training – Vermittlung von Wissen über Lebensmittel und ihre körperlichen Auswirkungen.

 5.1 Information about health consequences – Info über Auswirkung der Lebensmittel auf die Gesundheit (des Avatars).

5.6 Information about emotional consequences – Info über Auswirkung der Lebensmittel auf die Stimmung (des Avatars).

5.2 Salience of consequences – Auswirkungen auf den Avatar werden verstärkt dargestellt, um dem kurzweiligen Charakter des Spiels zu erhalten.

6.2 Social comparison – Vergleich des eigenen Highscores mit dem von Freunden über spielinterne Plattform.

Endspurt: Zielverhalten

Da uns (zum Teil aus eigenen Erfahrungen) bekannt ist, dass die Motivation für eine Ernährungsumstellung sehr schnell nachlässt, wollten wir ein Spiel entwerfen, das in erster Linie Spaß macht. Wir möchten, dass der/die Spieler*in das Spiel primär spielt, weil es ihm/ihr gefällt, um dann sekundär etwas dabei zu lernen. Er/sie soll für den bewussten Konsum von gesunden und ungesunden Lebensmitteln sensibilisiert werden und über die Mechanik des Spiels implizit lernen, welche Lebensmittel einen guten oder schlechten Einfluss auf seine Gesundheit haben können. Wir sind uns bewusst, dass Nahrungsmittel nicht pauschal in gut oder schlecht eingeordnet werden können, und dass die Auswirkungen auf die Gesundheit zum Teil sehr überspitzt dargestellt sind. Allerdings sahen wir uns nach längeren Diskussionen dazu gezwungen, dies beizubehalten, um im Kontext einer kurzen Runde das nötige Wissen ausreichend vermitteln zu können.

Idealerweise verbindet der/die Spieler*in durch unser Spiel auch in der realen Welt gesunde Lebensmittel mit „gut“ und lernt, ungesündere Lebensmittel mit Vorsicht zu genießen. Wir erhoffen uns eine Anregung zur Reflexion über die eigene Ernährung und eine Steigerung der intrinsischen Motivation, gesündere Nahrungsmittel zu konsumieren.

Gruppe „FoodRun“, v.l.: Jana Westerhoff, Anna Knoop, Maren Kraemer, Milena Becker.

Quellen

Kurth, B. M., & Rosario, A. S. (2007). Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 50(5-6), 736-743.

Michie, S., Wood, C. E., Johnston, M., Abraham, C., Francis, J. J., & Hardeman, W. (2015). Behaviour change techniques: the development and evaluation of a taxonomic method for reporting and describing behaviour change interventions (a suite of five studies involving consensus methods, randomised controlled trials and analysis of qualitative data). Health Technology Assessment (Winchester, England), 19(99), 1–188. doi.org/10.3310/hta19990.

Orji, R., Mandryk, R. L., Vassileva, J., & Gerling, K. M. (2013). Tailoring persuasive health games to gamer type. In Proceedings of the SIGCHI Conference on Human Factors in Computing Systems (pp. 2467-2476). ACM. 6 Andersson, A., & Bryngelsson, S. (2007). Towards a healthy diet: from nutrition recommendations to dietary advice. Scandinavian Journal of Food and Nutrition, 51(1), 31–40.

Schoeppe, S., Alley, S., Rebar, A. L., Hayman, M., Bray, N. A., Van Lippevelde, W. & Vandelanotte, C. (2017). Apps to improve diet, physical activity and sedentary behaviour in children and adolescents: a review of quality, features and behaviour change techniques. International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity, 14(1), 83.

Weihrauch-Blüher, S., Koormann, S., Brauchmann, J., & Wiegand, S. (2016). Elektronische Medien in der Adipositas-Prävention bei Kindern und Jugendlichen. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 59(11), 1452-1464.

Icons: www.flaticon.com

Smartphone-Umriss, Aubergine, Apfel von Freepik.

Brot, Bonbon, Brokkoli von Smashicons.

Das Spielkonzept zum Gesundheitsspiel "FoodRun" und dieser Beitrag wurden von Milena Becker, Anna Knoop, Maren Kraemer und Jana Westerhoff während des Seminars "Games for Health" von Dr. Laura König (Psychologie) und Benjamin Schäfer (Literatur-, Kunst-, Medienwissenschaften) im Sommersemester 2019 erstellt.